Sehr geehrte Frau Ministerin Ernst,


gern greifen wir Ihren Vorschlag auf, uns als Verband an der Suche, Zusammenstellung, Diskussion und Entwicklung geeigneter Formen und Rahmenbedingungen für die Sicherung von
Schullaufbahnen zu beteiligen. Gleichzeitig weisen wir allerdings auch darauf hin, dass in der Kürze der Zeit durch uns kein abgeschlossenes und in sich stimmiges Konzept für das neue Schuljahr
entworfen werden konnte. Im Folgenden übermittle ich Ihnen daher einige Ideen und Denkansätze, deren weitere Vertiefung und Prüfung auf Praktikabilität und Umsetzbarkeit aus der Sicht unseres Verbandes durchaus lohnenswert erscheinen.

• Wir gehen davon aus, dass alle möglichen Entscheidungen länderübergreifend gesehen und getroffen werden sollten. Jedes Bundesland für sich allein kann dieses tiefgreifende Problem
nicht lösen. Wir können uns gut vorstellen, den Vorschlag aus dem Berliner Verband der Gymnasialschulleiter zur Verlängerung des Schuljahres aufzugreifen.
• Was wir brauchen, ist mehr effektive Lernzeit für alle SuS. Aufgrund des öffentlichen Bildungsauftrages sehen wir die Lösung dafür jedoch nicht in einer Verlagerung in den Bereich der Nachhilfe. Jede noch so gute Nachhilfe würde aus unserer Sicht darüber hinaus zu einer zeitlichen Überforderung führen, die japanischen Verhältnissen entspräche (08:00- 15:00 Schule und 16:00-20:00 Nachhilfe).
• Vorschlag: Mehr Lernzeit durch gestaffelte Verlängerung der Schuljahre
- Aktuelles Schuljahr 2020/21 endet erst am 17.12.2021 für Klassen 1-11(12)
- Neues Schuljahr 2022/23 beginnt am 05.01.2022
- Ende des Schuljahres 2022/23 am 12.07.2023
• Durch eine solche Verlängerung könnte für alle Schüler*innen mehr Lernzeit in ihrem sozialen Umfeld mit den Lehrkräften generiert werden. Die Anträge der Eltern auf Rückstufung um ein Schuljahr würden dann sicher nicht in der Zahl kommen, die wir derzeit erwarten. Die Rückstände der letzten 2 Schuljahre könnten so unter pädagogischer Anleitung methodisch und didaktisch aufgearbeitet werden. Vor allen Dingen wäre auch Zeit für die sozialpsychologische Arbeit mit den Kindern. Wir sehen heute schon, dass sich viele Kinder sehr verändert haben
und wir Zeit benötigen um sie wieder in den schulischen Alltag zu integrieren.

Zu lösende bzw. klärende Probleme aus unserer Sicht wären:
• Die Ausbildungsbetriebe und die Universitäten müssten sich auf andere Termine einstellen und diese Verlängerung entsprechend überbrücken können.
• Im Bereich KITA dürfte es zu Engpässen in der Kapazität kommen, da hier nicht mehr Kinder aufgenommen werden können. Zu prüfen wäre, ob durch ein erweitertes Elterngeld eine Kompensation erfolgen könnte.
• Parallel dazu müssten in allen Jahrgangstufen die RLP bis zum Sommer überarbeitet und entschlackt werden, damit auch Zeit für eine soziale Aufarbeitung der Pandemie bleibt. Eine Lernstandsanalyse als Grundlage für eine solche Überarbeitung halten wir für wenig hilfreich, da Erfahrungswerte fehlen und wir nicht zwischen den in der Pandemie entstandenen Lerndefiziten und den in jedem Jahr auftretenden unterscheiden können.

Ich freue mich auf die Diskussion unserer Vorschläge.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Steffen Neumeyer